Das Einzigartige an einer Uraufführung: noch nie gehört!
Mit dem Titel »Metaverse one« von Ferran Cruixent (*1976) wird beim Festkonzert des diesjährigen Hambacher Musikfestes eine Brücke in die digitale Welt geschlagen, in der nicht die Technik, sondern die musikalische Kreativität ausschlaggebend ist.
»Metaverse«: Vor fünf Stunden (30. Mai 2022, 13 Uhr) vermeldete die ZEIT: »Unter Metaverse versteht die Branche eine Welt, in der physikalische Realität mit erweiterter (augmented reality, AR) und virtueller Realität (VR) in einer Cyberwelt verschmelzen.«
Dabei sein, wenn ein solcher Moment live und genau nicht in der Cyberwelt zu erleben ist – diese Chance bietet das Festkonzert am Samstag, den 18. Juni um 20 Uhr.
Ferran Cruixent: »Metaverse One« für Bariton und Streichquartett (Uraufführung)
»Dieses Stück ist völlig anders als alles, was die meisten von Ihnen je gehört haben.« Mit diesen Worten wandte sich der Dirigent Leonard Slatkin bei der amerikanischen Erstaufführung von Ferran Cruixents Orchesterwerk ‚Cyborg‘ im Jahre 2013 ans Publikum. Und man darf erwarten, dass dies für die Uraufführung von »Metaverse One“ ebenfalls gelten wird. Denn die beiden Werke haben einiges gemeinsam.
Beide kreisen um ein Thema, das den 45-jährigen katalanischen Komponisten seit langem beschäftigt: die Beziehung zwischen Mensch und Maschine, zwischen physischer und digitaler Realität. Und beide arbeiten mit der Technik des »Cyber-Singing«, die Cruixent entwickelt hat: Die Musiker spielen vom Komponisten erstellte Audios über ihre Handys ab und erzeugen damit „eine erweiterte Klangrealität durch Technologie und Virtualität, während sie ihre eigenen traditionelle Instrumente weiterspielen«.
»Cyber-Singing« kommt auch im Streichquartett »Post lucem« zum Einsatz, das das Mandelring Quartett im vergangenen Jahr beim Festival Internacional de Música de Marvao in Portugal uraufgeführt hat. Was die Musiker so fasziniert hat, dass rasch die Idee eines Kompositionsauftrags aufkam, war aber in erster Linie nicht diese ungewöhnliche kompositorische Technik; es war das Fantasievolle und Klangsinnliche, das die Musik von Ferran Cruixent ausmacht. Ob grenzensprengendes Orchesterwerk wie das Schlagzeugkonzert »Focs d’artifici«, das aus der Zusammenarbeit mit dem Star-Schlagzeuger Peter Sadlo entstanden ist, oder »Binary« für zwei Klaviere, ein Auftragswerk des Internationalen ARD-Wettbewerbs: Cruixents Musik ist ein sinnliches Erlebnis, gemalt in bunten Klangfarben und oft gewürzt mit feinem Humor.
Der Titel seines neuen Werkes bezieht sich auf das digitale Universum, das Internet-Konzerne wie Facebook und Microsoft derzeit aufbauen. Der Komponist schreibt darüber: »In verschiedenen Szenen wird der Bariton in seinen verschiedenen ICH-Avataren innerhalb dieses neuen Heiligtums, des Metaversums, präsentiert: ein virtuelles Universum, in dem das reale ICH durch mehrere Egos ersetzt werden kann. Auf diese Weise können wir dauerhaft die Wesen werden, die wir uns zu sein wünschen. Technologische Fortschritte werden die Unterscheidung zwischen Realem und Computergeneriertem erschweren, sodass diese neuen Welten in nahezu alle Bereiche unseres Lebens Einzug halten werden. Könnten Menschen im Metaversum die Grenzen der Fantasie-Universen, die wir uns bisher vorgestellt haben, überschreiten? Ist es der Beginn einer unbekannten Ära?«
Wer keine Neigung verspürt, gedanklich in virtuelle Realitäten einzutauchen, dem seien noch einmal Worte von Leonard Slatkin zu ‘Cyborg‘ ans Herz gelegt: »Es bringt uns zu etwas unerhört Neuem. Hören Sie das Werk mit offenen Ohren an. Wir haben uns sofort verliebt, es ist einfach ein großartiges neues Stück!«
Eva Blaskewitz